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The Pamphlet Collection of Sir Robert Stout: Volume 58

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A. Lammers aus Bremen: hochgeehrte herren! Im Namen und im Auftrag des deutfchen Centralcomite für handfertigkeit und hausfleiß erlaube ich mir die Berfammlung zu eröffnen. Nach den vergangenen Pfingftfefttagen werden wir aus heute einer gemeinfamen ernften Arbeit hingeben, von der wie überzeugt find, daß fie der wirthfchaftlichen wie der geiftigen Kraft der Nation ebenfo diene als die fchöne Ausftellung, deren Zengen wir gleichzeitig hier fein Können.

landtags-Abgeordneter v. Schenckendorff: Es war anfangs nicht beabfichtigt, eine Ausftellung auswärtiger Schülerarbeiten mit der heutigen Berfammlung zu verbinden. Infolge eines Autrages aus Kroatien aber und andern aus unfrer eignen Provinz ift es jedoch in leßter Stunde noch gefchehen, fo daß die äbrigen Schulen erft spät aufgefordert werden konnten. Immerhin hat die Ausftellung noch einen fehr anfehulichen Umfang gewonnen. Die Schule zu Giffek in kroatien wünfcht ein Urtheil des Congreffes über die ausgeftellten Arbeiten. Es wird fich das allerdings nicht anders ermöglichen laffen, als daß wir unfere Meinungen privatim gegenfeitig austaufchen und daß ich das daraus refultirende Urtheil der schule meinerfeits mittheile. Ich bitte alfo nachher um Ihre Anficht hier-über. Nächftdem ift eine Anzahl von Sachen zur ausftellung gelangt, die auf Wunfch des Einfender vertheilt werden können, wie die Zeitfchrift "Der Jugend Spiel und Befchäftigung, illuftrirte Zeitfchrift für Spiel, Befchäftigung, Unterhal- page 9 tung, handfertigkeit und hausfleiß;„ die Beitfchrift ift herausgegeben von der Leipziger Lehrmittel-anftalt, und verdient ihre Beachtung. weiterhin liegt eine Schrift von dem fchweizerifchen Reallehrer Seidel "Der Arbeits-Unterricht" zur Anficht aus, erfchienen in Tübingen, die eine der beften fein dürfte, welche über den Gegenftand, der uns befchäftigt, gefchrieben find. außerdem möchte ich aber nicht verfehlen Sie darauf hizuweifen, daß auch die Zeitfchrift "Nordweft", die fchon fiet Jahren unfer Bereinsorgan ift, und der wir immer weitere Berbreitung und neue Freunde wünfchen müffen, hier zur Bertheilung ausliegt. Wer unfere Beftrebungen dauernd verfolgen will, kann dies Organ das ihn im Laufenden erhält, nicht entbehren. Ich bemerke hierzu, daß der jahrgang bei der wöchentlichen ausgabe auf 12 M und bei der monatlichen auf 8 M fich beläuft; wer dagegen nur diejenigen nummern, in denen über handfertigkeits-Unterricht berichtet wird, wünfcht, zahlt hierfür aufs Jahr nur 4 M. Diefe Zeitfchrift erfcheint in Bremen, und wird von dem Borfißenden unfers Centralcomites herrn lammers herausgegeben. Einen Beftellungsbogen feße ich hiermit in Umlauf. Ferner geftatte ich mir, einige Schreiben hoher und höchfter Gönner zu verlefen, und zwar zunächft das Schreiben der hohen Protectorin unferer hiefigen Schule, der Frau Kronprinzeffin. Das Schreiben lautet:

„Ew. hochmohlgeboren beehre ich mich im höchften auftrage ganz ergebenft mitzutheilen, daß jhre kaiferliche und königliche hoheit die frau kronprinzeffin aus der Eingabe vom 18. d. m. mit um fo lebhafterer Befriedigung von dem zu Görliß ftattfindenden Congreffe kenntnis erhalten hat, als höchftdiefelbe die Erwartung hegt, daß dies Unternehmen den auf die Berbreitung des handfertigkeits-Unterrichts gerichteten Beftrebungen zu befonderer Förderung gereichen werde.

Ueberzeugt von der hervorragenden Bedeutung, welche diefem Unterrichtszweige beizumeffen ift, begleitet jhre kaiferliche hoheit den Congreß mit ihren beften Wünfchen, und fieht einem mündlichen oder fchriftlichen Bericht über die Ergebniffe deffelben mit intereffe entgegen.

Neues Palais, Wildpark, den

J. B.: E. v. Commerfeld,

Oberft und perfönlicher Adjutant.“
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Wir find der hohen Protectorin jedenfalls zu graßem Dauk verpflichtet, daß fie den Congreß in diefer Weife freundlichft begrüßt. Unfre Frau kronprinzeffin war von jeher eine huldvolle Gönnerin unferer Beftrebungen. Seitens des Minifters des innern herrn von Puttkamer ift ein Schreiben eingegangen, in welchem er bedauert an dem Erfcheinen verhindert zu fein, und auch einen feiner Räthe nicht fchicken zu Können. Er fagt zum Schluffe: "ich werde indeffen gern Beranlaffung nehmen, den Beftrebungen auf Einführung des handfertigkeits-Unterrichts, foweit fich für mich hierzu Gelegenheit bietet, auch fernerhin meine Unterftüßung zu Theil werden." In ähnlich wohlwollender Weife fprechen fich die herren Minifter von Goßter, von Bötticher, Manbach und von hofmann aus. Herr Unterftaatsfecretär von Möller im haudelsminifterium, welchem jeßt der Psmanrücler jamdfertogleots-cirfis an den dortigen Seminaren unterfteht, fchreibt erfreulicher Weife u. a.: "Ich gehöre zu denen welch die Ausbreitung des handfertigkeits-Unterrichts für einen Gegen halten." Wenn folche Aufichten an maßgenemder Stelle herrfchen, können wir gewiß, mit ruhe und hoffnung einer weitern Entwicklung diefes wichtigen Unterrichtszweiges in Preußen entgegenfehen. Ich könnte noch eine Zahl anderer werthvoller Schreiben verlefen, doch ich will angefichts unfrer Congreßverhandlungen hiermit fchließen.

Meine herren, nach Punct 7 der Tagesordnung findet die Fortfeßung deffelben nicht hier fondern im Central-Hofpital, rechts neben der Gewerbe-ausftellung ftatt. Ich werde Sie alfo bitten, nachdem der Congreß feine Beendigung erfahren hat, wir dorthin zu folgen. Ich möchte ferner bitten, daß nur die Auswärtigen und die Mitglieder des Localcomite, nicht aber auch die Einheimifchen, welche ja ftets Gelegenheit haben die Schule einzufehen, wegen des dort zu fehr beengten Raumes meiner Einladung dorthin Folge leiften. Es werden dafelbft in drer verfchiedenen Gälen Lehrproben von den Lehrern der Hiefigen Handfertigkeitfchule vorgeführt werden. Sie können ihnen natühren nur ein annäherndes Bild gewähren, weil einmal unfre Zeit zu befchränkt ift, um die Lehrproben gründlich vorzuführen und ferner weil die Borführung derfelben immer auf den Schüler den Eindruck einer Schauftellung macht, und ihn befangen macht. Aber Sie werden daraus doch den Claffen-Unterricht erkennen.

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A. Lammers-Bremen: Meine herren, das Centralcomite fchlägt ihnen vor, mit dem Borfß der heutigen Berfammlung zu betrauen herrn Profeffor Biedermann-Leipzig, herrn Abg. v. Schenckendorff-Görliß und den Director des kunftgewerbe-Mufeums in Berlin herrn Grunow, fowie zu Schriftführern zu ernennen die herren Lehrer Gärtig-Pofen und Püfchel-Görliß.

Ich darf wohl annehmen, daß die Berfammlung damit einverftanden ift, und bitte die genanuten herren hier Plaß zu nehmen.

Profeffor Biedermann-Leipzig: Geehrte Berfammlung! Wenn mich ihr Bertrauen zum Borfißenden beftimmt, fo liegt mir zuvörderft die angenehme Pflicht ob, die ich als Ihr erwählter Bertreter erfüllen zu müffen glaube, nemlich denjenigen herren, welche diefen Congreß im Auftrage hoher Behörden mit ihrem Befuch beehren, den aufrichtigften Dank auszufprechen. Bor Allen danke ich dem herrn Oberpräfidenten der Provinz Schlefien herrn von Gendewiß deffen Anwefenheit wir als gute Borbedeutung für den Congreß betrachten können, als ein Zeichen daß die hohe königliche Regierung den Beftrebungen, welchen der Congreß dient, mit freundlichem auge zufchaut. Desgleichen danke ich den herren Bertretern der drei Bezirksregierungen der Provinz Schlefien, welche die Chefs der Unterrichts-Abtheilungen nach hier zu entfenden die Güte hatten. Die Stadt Görlitß ift vertreten durch ihren höchften Beamten herrn Oberbürgermeifter Reichert, und ich beehre mich ihm auf feinen Wunfch hiermit das Wort zu geben.

Oberbürgermeifter Reichert-Görliß: hochgeehrte herren! Daß es mich mit lebhafter Freude erfüllen muß, diefer zahlreichen und illuftren Berfammlung names der Stadt, der ich diene und der Sie die Ehre erwiefen hahen fie zum Berfammlungsorte ihres diesjährigen vierten Congreffes zu erwählen, unfern aufrichtigen Dank und unfer Willkommen entgegenzubringen, bedarf keiner näheren Begründung und keiner befonderen Berficherung. Diejenigen herren welche von auswärts gekommen find, werden allerdings von Menfchenhänden errichtete Ehrenpforten und Triumphbögen nicht vorgefunden haben; aber die Stadt hat fich Dank der gütigen natur und dem freundlichen Frühling doch in ein Schmuckgewand gehüllt, fchöner als Menfchenhände es hätten fchaffen können. Und wenn ich Sie verfichere, daß entfprechend diefem Schmucke auch page 12 die herzen der Bewohner in natürlicher und offener Freude Ihnen entgegenkommen, fo, glaube ich, ift dies mehr werth, als wenn wir ihnen mit fchwungvollen Worten und Ehrenpforten den Weg gefchmückt hätten. Die Beftrebungen, die Sie hier vereinigen, haben in hiefiger Stadt einen guten Boden gefunden. Ihr Beftreben geht dahin, die Ausbildung der männlichen iugend harmonifcher zu geftalten, da Sie neben dem Wiffen, neben den Beftrebungen, die der Geift durch den Unterricht in der Schule erfährt, alfo neben den Fächern die den Geift vorzugsweife befchäftigen, der iugend Gelegenheit geben wollen, das können im äußeren Wirken durch die handarbeit zu bethätigen. Diefes Beftreben hat, wie gefagt, in hiefiger Stadt lebhafte Anerkennung gefunden, und zwar je länger je mehr. Ob diefe Beftrebungen fchon in den früheften Zeiten geherrfcht haben, ob fie in Deutfchland erwacht find oder ob fie von Schweden und Dänemark importirt werden mußten, ob fie als obligatorifch ihre Berechtigung haben oder facultativ, darüber kann ich mich nicht auslaffen, theils weil ich dies nicht verftehe, theils in die Begrüßungsrede gehört. Aber foviel fteht feft, daß die Stadt Görliß feit dem iahre 1879 mit fteigendem intereffe fich ihren Beftrebungen zugewandt, und foviel in ihrer Macht geftanden, fie gefördert hat. Zunächft verdient der Agitator herr v. Claufon kaas, der im genannten iahre hierfelbft durch einen gehaltenen Bortrag die erfte Auregund gab, erwähnt zu werden. Die Folge davon war, daß der Magiftrat im folgenden iahre 1880 einen hiefigen Lehrer, der fich dafür befonders intereffirte, nach Emden fchickte. Daran fchloß fich in weiterer Folge die Ausbildung der hiefigen handfertigkeitsfchule, wie fie gegenwärtig befteht und wie fie im Laufe der heutigen Berhandlungen noch näher ihnen vor Augen geführt werden wird. Unzweifelhaft wäre das Ganze nicht fo lebhaft betrieben worden, wenn nicht herr v. Schenckendorff mit lebhaftem Feuereifer troß aller Anfeindungen und troß aller entgegenftrömenden Richtungen, die urfprünglich fich zeigten, mit unverrücktem Blick vorgegangen wäre. Zunächft 1879/80 als Magiftratsmitglied; demnächft weiter, indem er raft-und mühelos weiter wirkte fowohl innerhalb als außerhalb der Stadt. Wir hoffen, daß diefer heutige Congreß auch für unfere Stadt den Gegen mit fich bringen wird; daß wie in großen kreifen Deutfchland, ihre Beftrebungen auch innerhalb des Weichbildes der Stadt Görtiß immer mehr anerkannt werden mögen, fo daß page 13 uns die Früchte in den Schoß fallen und wir fehen werden, daß der Congreß auch uns einen effectiven nußen bringt. infofern alfo konnen wir uns nicht bloß darüffen ihnen auch dankbar fein. Beides, die Freude und den Dank fpreche ich hiermit aus. ich begrüß die hohen Abgeordneten der verfchiedenen Staaten, die herren Commiffare der Stadt-und fonftigen Communen, fowie diejenigen die aus eignem Antriebe fich dem heutigen Congreß angefchloffen haben! ich wünfche, daß diefe Arbeitsftunden dem Werke zur Förderung gereichen mögen, daß aber auch die Stunden der Gefelligkeit einen angenehmen Eindruck zurücklaffen und Sie fagen mögen: in Görliß ift es doch nicht ganz übel gewefen! (Bravo!)

Prof. Biedermann-Leipzig: Es kann uns nicht überrafchen, daß die Bürgerfchaft der Stadt Görliß unfere Beftrebungen fo freundlich entgegenkommt. Nicht bloß hier fchon feit längerer Zeit eine blühende handfertigkeitsfchule unter der Leitung meines nachbars (v. schenckendorff) befteht, fondern was von haufe aus uns auch fonft hoffen laffen konnte, daß wir hier frenudlich empfangen werden würden, das ift jener fchöpferifche, felbftthätige Geift, der in der Bürgerfchaft der Stadt Görliß lebt, der das rafche intenfive Wachsthum und Aufblühen der Stadt herbeigeführt, und der auch das kleine Paradies, die Gewerbe-Ausftellung, das wir bereits geftern gefehen, hervorgezaubert hat. ich meine, eine Bürgerfchaft die von folchem Geifte befeelt ift, muß unfern Beftrebungen günftig fein, Beftrebungen denen auch der heutige Congreß dienen will, und die wefentlich darauf hinzielen, das kommende Gefchlecht zur Gelbtthätigkeit heranzubilden und gefchickt zu machen. Alfo wenn wir nicht überrafcht find von den freundlichen Begrüßungen und von dem wohlwollenden Empfange, fo freuen wir uns deffen doch aufrichtig und danken ihnen herzlich. Es erfüllt uns mit großer Befriedigung und es ift einen gute Borbedentung für unfere Arbeit, wenn eine fo bedeutende, eine fo hoch angefehene Bürgerfchaft wie die hiefige mit uns hand in hand auf diefem Wege geht. Und ich theile den Wunfch und die hoffnung des Borredners, daß auch andere Gemeinden in gleicher Weife wie die hiefige fich unfern Beftrebungen früher oder später anfchließen mögen. Nehmen Sie nochmals unfern herzlichften und verbindlichften Dank!

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Ich gebe nunmehre das Wort herrn Lammers zu feinem Bortrag über