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The Pamphlet Collection of Sir Robert Stout: Volume 22

I

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I.

Motto: Und immer zirknliert ein nenes frisches Blut.

Goethe, Faust.

Da es durch verschiedene Umstände unmöglich geworden war, eine nur ornithologische Excursion in die Rheinwölder zu unter-nehmen, entschloss ich mich kurz am 18. Mai 1888, einen Ausflug in die Alpen zu wagen, trotzdem die Zeit sehr beschrönkt war. Am 19. morgens fuhr ich von Strassburg i. E. über Appenweier, Orenburg nach Triberg im Schwarzwald. Während der Fahrt auf der wundervollen tunnelreichen Bahn schien schönstens die Sonne, indess in Triberg fing ein Regen an, der bald einem Hagel-schauer wich, unter welchem die Apfelbltüen wie Schneeflocken zu Boden sanken. Ein kleines Gewitter entlud sich. Bei angenehm abgekühltem Wetter stieg ich neben den imposanten Wasserfällen hinauf, vergeblich nach dem Wasserstaar auslugend, welchem das Gefäll wohl etwas zu stark ist. Der Kuckuck rief in den benachbarten ein-samen Tannenforsten, die im übrigen keinen sonderlichen Vogel-reichtum aufwiesen. Nachdem ich den Priesen, eine höhere Kuppe, erklettert, begab ich mich thalwärts, durch den Ort Triberg nach dem Bahnhof, welcher zwischen zwei Tunneln gelegen ist, und von page 2 welchem man eine schöne Aussicht auf die Schwarzberge hat. Gegenüber sieht man am Berg die Eisenbahn etliche hundert Fuss höher hinziehen. — Weiter ging's über Donaueschingen, auf einem ‚Hochplateau‘, dessen Grün von der hier noch sehr winzigen Donau, weiterhin von der Aach durchströmt wird. In Singen verliess ich den Zug, um auf den Hohentwiel zu wandern. In den Laubhölzern, welche den Berg bedecken, sangen die Drosseln, Rotkehlchen, Laubsänger ihr Abendlied, indess ein Pirol und ein Kuckuck accompagnierten. Ich hatte das ganz hervorragende Glück, auf dem Gipfel des berühmten Scheffelberges ein ausgezeichnetes Alpenglühen zu gemessen! Prachtvoll beleuchtet lag tief unten der Bodensee, schlängelte sich die Aach, erglänzten die Firnen der sieben Churfirsten, des Säntis, in der Ferne die Jungfrau!

Nach schnellem Abstieg führ ich weiter nach Schaffhausen. Leider schien am folgenden Tage das Wetter eine fatale Wendung nehmen zu wollen. Gewitterschwüle, Staubwolken, ja bei Neuhausen ein feiner stiller Regen! Aber der Schönheit des Rheinfalls geschah dadurch dennoch kein Abbruch! — Auf der Weiterfahrt nach Konstanz hellte sich das Wetter auf. Auf dem Zeller-see schwebten hie und da einige Lachmöven, die an den Ufern brüten, spärlich, denn, obschon durch das Gesetz geschützt, finden sie nur allzu viele Liebhaber für ihre Eier; wie mir ein Einge-borner treuherzig erzählte, giebt es dort sogar Leute, die eigens zu dem Zwecke auf die Suche gehen! Die schilfarmen Ufer bieten wohl nicht sehr vielen Wasservögeln eine passende Niststelle — nach Freund Podicipes cristatus schaute ich mich vergeblich um. In Konstanz lachte der „unbewölkte Zeus“, so dass ich an Bord des „Moempelgard“ die Algäuer, Appenzeller und besonders die Vorarlberger Alpen in ganzer Pracht bewundern konnte. Vorbei fuhren wir an dem mythenunnvobenen, alten, finster dreinschauenden Meersburg, dessen Wein indessen vortrefflich schmeckt; vorbei an Friedrichshafen, Lindau mit seinem unschönen Löwenkoloss zu Beginn der Einfährt. In Bregenz machte ich mich, durch ein Glas des ganz ausgezeichneten Tiroler (Bozener) Weins gestärkt, sogleich an den Aufstieg des Gebhardtberges (600 m). Wundervolle Aussicht gewährt die alte Ruine auf dem Gipfel, weithin in das Rheinthal, über den Bodensee, auf die Alpen, zum Teil in Wolken gehüllt. — Da jedoch der Fernblick von dem Pfänder, einem an 1100 m hohen Berge, noch schöner sein musste, unternahm ich bald den weiteren Aufstieg — und zwar mit besonderem Glücke. Hörte ich doch etwa 250 m weiter und höher zum ersten Male einen Laubsänger — in gemischtem Bestände — welcher nur page 3 Phyll. Bonelli*) sein konnte. Lange lauschte ich dem fremdartigen, typischen Laubvogelgesang. Sehen und identifizieren konnte ich bei blendendem Sonnenschein das Tier nicht. Allein es ist kein Zweifel, dass ich es mit der fraglichen, in der Schweiz viel vorkommenden Spezies zu thun hatte. Auch Herr Prof. Moesch teilte diese Ansicht; er erzählte mir, dass erst vor ca. 20 Jahren diese interessante Art sicher für die Schweiz konstatiert sei, Schinz habe sie nicht als Schweizervogel gekannt.**) Auf dem Kuhn des Pfänder betrachtete ich den Sonnenuntergang beim Abendlied der Singdrosseln. Wunderbar schön waren die weiten Matten, Triften und Weiden der Vorarlberger Alpen beleuchtet, während der Bodensee immer dunkler und dunkler wurde, um schliesslich ganz seine scharfen Konturen zu verlieren und dem Blick zu entschwinden. — Auf einem sehr schnellen Abstieg im Galopp stellte ich praktische Versuche an zu dem Thema, ob das Trinken von Gebirgswasser schadet, wenn man nur in der eingeleiteten schnellen Bewegung bleibt.

An dem Abend noch verliess ich das österreichische Gebiet, um in St. Margarethen, auf Schweizer Grund und Boden, das Haupt niederzulegen. Am 21. in der Frühe führte mich die Bahn über Buchs und Sargans nach Ragatz, vorbei an den wolken-verhüllten Glarner und Appenzeller Alpen. Die imposante Taininaschlucht mit ihren tausendfusshohen Fels'enwänden und ihrem tosenden Gletscherbach, die Tamina, ist wohl auch kein geeignetes Terrain für die Anwohner lustiger Waldbäche — wenigstens war von Gebirgsstelzen und anderen Liebhabern solcher Gegenden nichts zu sehen. — Das Thal wird bei Bad Pfäffers***) immer page 4 enger und enger, bis schliesslich die beiden gegenüberliegenden Thalwände nahe an einander rücken, zu inniger Berührung in der Naturbrücke, während unten durch den Felsen die Tainina reissend dahinfliesst. Ein Ziegenpfad führt über jene ‚Bruck‘ zu dem Dorfe Pfäffers (820 m) sehr steil bergan. Als ich ihn passierte, hörte ich ein Paar Tannenhäher (Nur. caryocatactes) auf der steilen Felswand in einer unzugänglichen Tanne krächzen. Der Abstieg erfolgte über die Ruinen der Burg Wartenstein, eines Felsenriestes, welches einen überwältigend schönen Fernblick auf die Alpen ringsum, das Thal des Rheins, das unten liegende Ragatz, die berühmte Rheinstrasse mit ihren in zwei Reihen stehenden Pappelbäumen gewährt. Die Menschlein, welche auf der Strasse zu einem kantonalen Sängerfest spazierten, unterschieden sich in nichts von Ameisen. — In dem Laubwalde, welcher den Berg bekleidet, sangen unsere drei gewöhnlichen Laubsänger — nur diese, Rotkehlchen, Kuckucke, Drosseln und ein Pirol. — Zurück musste ich über Sargans, um nach Zürich zu gelangen. Die Bahn folgt dem Rhein bis Sargans, dann führt die (neuere) Bahn längs des überaus grossartigen Walensee, im Thal der Linth weiter, am Zürcher See hin gen Zürich.

* Phyllofmeuxle Bonelli wird von Bruh in in seinen,. Wirbeltieren Vorarlbergs" und „Nachträgen zur Wirbeltierfauna Vorarlbergs“ (Verh. k. k. zool. bot. Ges. Wien 1868. XVIII. Vögel S. 235—256 und S. 871—879) noch nicht als Vorarlborger Spezies angeführt.

** [Wie Victor von Tschusi zu Schmidhoffen in der Monatsschrift 1888. S. 306 hervorhob, ist die Art 1827 bereits in J. R. Steinmüllor's Neuer Alpina II. S. 87 von Thom. Conr. v. Baldenstein für das Land nachgewiesen und als Sylv. albicans beschrieben.]

*** Auch mir glückte es hier ebenso wenig wie Dr. Girtanner (Ornith. Streifzug durch Graubünden 1871. In: Verh. d. St. Gall, naturw. Ges. 1861. No. V. S. 337) das von StöIck er (Versuch einer Vogelfauna der Kantone St. Gallen und Appenzell. In: Bericht über die Thätigkeit der St. Gall. nat. Ges. 1866—67) und Bruii in (l. c.) bestätigte Nest des Mauerläufers (Tick, muraria) aufzufinden. Man ist wohl zu der Annahme berechtigt, dass jetzt bei Pfaffers kein Mauerspecht mehr nistet, [im Juli 1865 hat der Senats-Präsident zu Celle, Herr Dr. Eduard Meyer, wie er mir unlängst mündlich erzählte, an besagter Stelle den Mauerläufer angetroffen. Später fand er ihn an den Felsen oberhalb des Urnerlochs und kürzlich, am 31. Juli 1889. an den Felsen bei den Bagni vecchi in Bormio, laut freundlicher brieflicher Mitteilung vom 23. August d. J. Lev.]