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The Pamphlet Collection of Sir Robert Stout: Volume 82

P. K. Rosegger. — Ein literarisches Charakterbild

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P. K. Rosegger.

Ein literarisches Charakterbild

Originalgenies find in diefen Tagen fehr felten geworden; die egalifirende Bildung drückt fie nieder oder biegt fie um. Daß fie trotzdem noch nicht ganz verfchwunden find, dafür ift der Mann, deffen Schriften wir mit diefen Zeilen in die Welt geleiten, ein martanter Beweis. — Ein steiermärtisches Naturkind reinsten Schlages, ist Rosegger in seiner Art kurzweg ein Phänomen, das einzig dasteht.

Den 31. Juli 1843 zu Alpel im Mürzthal, Pfarrgemeinde krieglach, geboren, zählt der Mann heute wenig über vierzig Jahre und darf ohne Einschränkung als eine literarische Berühmtheit bezeichnet werden. Seine "Ausgewählten Schriften" haben jetzt schon den Weg nicht blos über Deutschland und die anderen literarischen hauptländer unferes Erdtheiles gemacht, sondern hereits unter den deutschen nord=amerikas Boden gefaßt und ohne Zweifel steht ihnen eine noch viel größere verbreitung bevor. Das ist eine Thatsache, die räthselhaft, fabelhaft erscheinen dürste, wenn wir die vaufbahn des mannes überblicken, wie er sie äußerst schlicht, kurz und einfach in dem Auffaß "Am Wanderstabe meines bebens" (Schluß von band 12) beschrieben hat. Was wir zu einer Carrière, wie solche uns hier entgegentritt, eigentlich sagen sollten oder dürften, mag recht schwer zu entscheiden sein; so viel steht fest, daß wir über sie staunen.

P. K. Rosegger hat fast gar keine Erziehung gehabt, wenigstens nach unseren Begriffen keine. Zwei versuche, ihn zum Studiren zu bringen, worunter man nichts Auderes verstehen konnte als den Eintritt in das geistliche Seminar zu Graz und dann in den Priester=stand, schlugen fehl. Im jahre 1860 trat der 17 jährige bauernjunge bei einem Schneidermeister in die lehre verblieb da süns jahre und wanderte mit ihm im land herum von haus zu haus, um den Bauern die kleider zu machen. Das war seine Studienzeit, seine hochschule. Wohl aber las er, was ihm nur in die hände kam, phantasirte und träumte, beobachtete, hörte alle alten Geschichten ab, page 3 schrieb und malte und dichtete schon sehr früh. seine ersten jugend=gedichte hat die Grazer "Tagespost" verössentlicht, und ihr Redacteur, Dr. Svoboda, hat das Verdienst, thatkräftig diesem leben die richtige Wendung gegeben zu haben. Den ersten systematischen Unterricht erhielt Rosegger (von seinem 24. bis zum 27. Lebensjahr) in der Grazer Atademie für handel und Industrie, einer Privatanstalt, in der er drei Jahre weilte. "Zither und hackbrett", ein Bändchen Gedichte in steierischer Mundart (1869), hatte das Glück, mit einem Geleitsbrief des ausgezeichneten Dichters Robert hamerling in die Welt zu gehen. Von da an haben wir in dem jungen mann den Schriftsteller, der sich durch eisrige Studien und insbesondere durch Reisen weiter gebildet und einen schönen Theil von Europa gesehen hat. Sein Leben nahm nun die gewohnte feste form an; eine überraschend productive Thätigkeit folgte schnell; die Dinge quollen und sprangen aus seinem herzen heraus. Befremdend ist auch das nicht, daß ihn der mit seinem Auffteigen zusammenfallende Eintritt in die städtischen Kreise, in die Welt enttäuscht, ihm eine Art von Mißtrauen beigebracht hat gegen die so laut gepriesene Bildung und hochcultur; fand er ja dort die gleichen Schwächen und Armseligkeiten wie bei seinen Bauern, nur in rassinirterer form. Er hat seitdem auch die Freuden eines herzlich glücklichen Familienlabens genossen, für welche seine unverbildete Natur gewiß so recht empfänglich ist, aber zugleich durch schweren Verlust ihr Leid.

Ueber Art und Natur seiner Schriftstellerei hören wir am beften den Verfasser selber, der mit vollem Grund und weiser Gelbsterkenntniß sagt: "häusig ist mir der Rath ertheilt worden, Wald und Dorf zu verlassen, meine Stoffe aus der großen Welt zu holen und durch philosophische Studien zu vertiefen. Ich habe das versucht, habe aus den Studien schöne Vortheile für meine Person gezogen, doch in meinen Bauerngeschichten haben sich die Spuren von Bücherstudien niemals gut ausgenommen. Nur der Geist der Toleranz und Resignation, den man aus der Geschichte der Menschen und ihrer Philosophie zieht, mag meinen Büchern zu statten kommen. weiteres fand ich nicht anwendbar, ja es irrte und verwirrte und verflachte mich, wo es andere vertieft. Iedem ist es nicht gegeben. Mir ist es nicht gelungen, der sogenannten Welt genug Verständniß und Geschmack abzugewinnen. Vieles, worin die "gute Gesellschaft" lebt und webt, kam page 4 mir flach, leer, ja geradenzu abgeschmackt vor. Und aus den gelehrten Büchern schreckte mich nur allzu oft der Dünkel und die Menschlosigkeit zurück." Er fühlt sich auf fremden Wegen, sobald er aus seinen bäuerlichen Kreisen heraustritt, und "vermag in der tausendstimmigen Klaviatur des Weltlebens den rechten Ton nicht mehr zu finden". Und dann sagt er sich: "Du kehrst zurück in jene große kleine Welt, aus der so wenige zu herichten wissen; du erzählst nicht, was du studirt, sondern was du erfahren hast; du erzählst es nicht in ängstlicher Anlehnung an ästhetische Regeln, erzähl' es einfach, frei und treu."

Diesen Charakter nun, rein und unverfälscht, tragen zu ihrem Glück durchgehend seine Schriften, und so geht er seinen eigenen, wenig betretenen Weg, auf dem er sich vereinsamt füblen mag; aber er kehrt nicht um, auch das sagt er uns; er weiß nichts besseres, als sich treu zu bleiben. Sehr schön ist beigefügt: "Mir scheint nicht alles, was wahr ist, werth, vom Poeten aufgeschrieben zu werden; aber alles, was er auffchreibt, soll wahr und wahrhaftig sein. Und dann foll er noch etwas dazu geben, was versöhnt und erhebt; denn wenn die Kunst nicht schöner ist als das leben so hat sie keinen Zweck. Furchen ziehen durch die Aecker und herzen, daß Erdgeruch auffteigt, dann aber Samen hineinlegen, daß es wieder grüne und fruchtbar werde — so wollt' ich's halten."

Weit überwiegend liebt es Rosegger, in ganz kleinen, unscheinbaren Genrebildchen und Geschichtchen vorzugehen, mögen die titel nun so oder so lauten. Dahin zählen mit einer fehr großen Zahl von Einzelnummern die Bände 3, 5, 6, 9, 10, 11, 12 und 15, dahin auch die in meist kurzen Abschnitten tagebuchartig gehaltenen "Schriften des Waldschulmeisters" (Band 2) und endlich "Gonntagsruhe; ein Unterhaltungs= und Erbauungsbuch", enthaltend Gedichte in steierischer Mundart, hochdeutsche Gedichte, Auffäße über kinder, Parabeln, legenden und Weltbetrachtungen (Band 13). Etwas weiter gesponnene Erzählungen bringt das "Buch der Novellen", die vier Bände 1, 4, 8, 14 und 35 Nummern. Von großen Compositionen in einheitlicher Organisation sinden sich bloß zwei: "heidepeters Gabriel, eine Geschichte in zwei Büchern" (Band 7), und "Der Gottsucher, Roman" (Band 16).

Wie er auch betitele oder componire, das natürliche Beobachtungsgebiet, von dem er weise nicht abgeht, ist fest umschrieben; eine page 5 in sich begrenzte Welt, nach dem Wort und Gehalt, den der Dichter aus ihr herauszuziehen verstanden hat, reich genug, überreich.

Rosegger beherrscht alle Stimmungen, vom Lieblich=Aumuthsvollen vom unsagbaren Glück der kindertage bis ins Schreckenvolle, ins schwere Melancholische hinein. Da spielt er auf seinen trauten Waldwiesen mit licht und Duft; da führt er ob den grausigen Schluchten und schwarzen Bergwäldern die vernichtenden Wetter herauf. Und immer ist's bei dem sinntiefen Erzähler der Zauber wundervoller Waldpoesie, das einemal weich und harmonisch sänftigend, das anderemal wild und erschütternd. Das dichteraugeschaut die Seele seiner träumerischen Waldlandschaften; und in diesen Dingen und Personen liegt eine unerschöpfliche Innerlichkeit; es sind herzbewegende Stimmungsbilder. Die manier hat etwas schlichteinfaches an sich, das bald anheimelud, bald schreckend an unfer harz greift und es nicht mehr losläßt. Es ift ein Gewisses etwas, das da hindurchweht, eine beftimmte Atmosphäre, die euch in ihre verzauberten kreise bannt; ihr fühlt euch mit den ersten Strichen einer Welt erfaßt, die schwer an euer Gemüth greift.

Rosegger ist eine innerlichst poetisch angelegte Natur von reichem Gehalt; ich weiß nicht, in welcher Richtung er tieferen Eindruck macht: ob mit den wundersam angehauchten landschaftsbildern, ob mit den wuchtigen Menschengestalten; ob im Ausdruck des licht= und duft= umwobenen Seelenfriedens, ob in dem der starren Schrecken, der Verwilderung und Zerstörung. Die Sprache ist, kurz gedrängt, in ihrer Art schön, einschmeichelud und ergreifend, gedankenschwer und stimmungvoll. In allem, was er bringt, pulfirt, nach des Dichters eigenen Borten, „jenes wunderliche Seelenleben, welches sich in dem Schatten der Tannenwälder, in den thauigen Wiesenthälern und auf den stillen hochmatten entwickelt“.

("Illustrirte Zeitung" Nr. 2088. — Leipzig, 7. Juli 1883.)

P. K. Rosegger's Ausgewählte Schriften.

20 Bände. Ortav. Eleganteste Ausstattung. 20 Bände.

pointer Preis geheftet 25 fl. = 50 Mark. pointer

In charakteristisdrem Original — Prachtband (abbildung auf Seite 16; in grüner oder rother Farbe).

pointer Preis 37 fl. = 74 Mark. pointer