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The Pamphlet Collection of Sir Robert Stout: Volume 58

Metall-Arbeiten

Metall-Arbeiten.

Umgang mit Blechfcheere, fchlagen und fchneiden von Blechen. Bernieten und feilen. Weich-und hartlöthen, und der dabei zu berückfichtigende Gebrauch desorydirender Mittel. herftellung von Filter-Schablonen und Drei-Füßen, von geometrifchen hohlkörpern, von Schrauben-Spindeln und-Muttern. Gewiffe Druckarbeiten, wie Blechfchalen u. f. w.

Faffe ich alles zufammen, fo ergiebt fich, daß wir es in den Seminaren vorwiegend mit Papp-und holz-Arbeiten zu thun haben; in Auerbach hat man wegen des phyfikalifchen Unterrichts leichte metall-und Glas-Arbeiten hizugefügt. Der Unterricht ift hier facultativ, dort obligatorifch, dann aber auch für die unteren klaffen obligatorifch, für die oberen dagegen facultativ. Zumeift nehmen die Schüler der unteren Claffen Theil. Die Urtheile der Directionen ftimmen darin überein, daß die Fortfchritte befriedigende feien, und daß der Unterricht auch in Zukunft fortgefeßt werden folle. Der Zweck des handfertigkeits-Unterrichts wird theils in der Ergämzimg des theoretifchen Unterrichts durch praktifche Befchäftigung oder auch nur in dem erfrifchenden Wechfel page 37 zwifchen geiftiger und leiblicher Anftrengung gefucht, theils erklärt man ausdrüklich, daß der Seminarift „um feines künftigen Amtes willen“ handfertigkeits-Unterricht erhalten müffe, und an Einer Stelle wünfcht man insbefondere den Seminariften in den Stand zu feßen, „die herftellung und Reparatur gewiffer Lehrmittel felbft zu beforgen.“

Die Leitung des handfertigkeits-Unterrichts liegt zum großen Theil in händen von handwerkern, die in der ihnen geläufigen Weife die Technik ihres Berufs den Zöglingen übermitteln, ohne von den in unferen kreifen gemachten Anftrengungen, eine Methodik des handfertgikeits-Unterrichts zu fchaffen, berührt zu fein. In anderen Seminaren fucht man zwar nicht die Methodit, wohl aber die Disciplin dadurch zu fördern, daß man dem handwerksmeifter Seminarlehrer an die Seite ftellt, und in dem einen haben Seminarlehrer fich felbft erft praktifch zur Ertheilung des handfertigkeits-Unterrichts befähigt, um danach die Leitung deffelben felbft zu ünermejmen. Die aufgewendeten Mittel find bei allen Seminaren (mit Ausnahme von Dresden) äußerft geringe zu nennen.

haben wir damit einen Ueberblick über den bisher an den Seminaren betriebenen handfertigkeits-Unterricht gewonnen, fo, fcheint mir, ift damit zugleich eine natürliche Grundlage gegeben für die Wünfche welche in Bezug auf die zukünftige Entwickelung deffelben gehegt werden müffen. Wir haben damit zugleich einen Standpunct gewonnen für die Beantwortung der drei auf unferer Tagesordnung ftehenden Fragen: aus welchem Grunde, in welchem Umfang und in welcher Weife ift der handfertigkeits-Unterricht in den Lehrplan der Seminare einzureihen?

Freilich nicht zunächft für die Beantwortung der erften Frage nach den Gründen, aus denen die Einführung des handfertigkeits-Unterrichts gewünfcht werden müffe.

Diefe Frage allein würde recht wohl zum Gegenftand eines ausführlichen Referats gemacht werden können. Ich müßte die ganze, bereits ziemlich angefchwollene Litteratur über den handfertigkeits-Unterricht, das lebhafte Für und Wider recapituliren, müßte die Bewegung, in der wir feit fechs Iahren ftehen, fchildern, wollte ich diefen einen Punct zur Genüge erörtern. Das ift natürlich hier und heute nicht möglich. Nur das fei gefagt, daß das Seminar mehr als jede andere Unterrichts-Anftalt des handfertigkeitsunterrichts bedarf. Denn fie page 38 ift in erfter Linie Erziehungs-Schule. Die dem Seminar zugeführten Zöglinge bedürfen zunächft felbft noch ihrer eigenen Erziehung. Alle Gründe alfo, welche für die Aufnahme des handfertigkeits-Unterrichs unter die Erziehungsmittel fprechen, gelten demnach voll und ganz auch für das Seminar, insbefondere für die unteren Claffen deffelben. Wenn wir fagen, daß die Uebung des Auges und der hand für die harmonifche Bildung des ganzen Menfchen unbedingt nothwendig fei, fo können wir natürlich den Seminariften nicht ausfchließen wollen.

Wenn gefagt wird, daß auch das geiftige Leben durch die Erfahrungen, die bei der praktifchen Arbeit gemacht werden, bereichert wird, daß der handfertigkeits-Unterricht dazu dient, die Anfchauungen zu vermehren, daß das Intereffe an den Gegenftänden des theoretifchen Unterrichts durch die praktifche Befchäftigung mit ihnen geweckt und vertieft wird, fo werden wir auch dem Seminariften diefe Wirkungen zugutekommen laffen wollen.

Wenn wir immer und immer wieder erfahren, welche große Freude die Iugend an der Bethätigung ihrer körperlichen kräfte hat, wie fruchtbar der Wechfel zwifchen wiffenfchaftlicher Befchäftigung und praktifcher Arbeit wie pfychologifch rationell es ift zu vermitteln zwifchen dem Wiffen, das nie abgefchloffen wird, und dem können, das die Freude an der hervorbringung zwar einfacher aber doch in fich vollendeter Werke gewährt, wie erzieherifch werthvoll die Bildung des Willens durch die Selbftthätigkeit ift, wie nothwendig es ift den dem Menfchen innewohnenden und nur durch Zwang niederzuhaltenden Geftaltungstrieb fich entwickeln zu laffen, wie wünfchenswerth es ift, daß für die Bildung des äfthetifchen Gefchmacks mehr als bisher gefchehe, fo werden wir hieraus einen Grund für den handfertigkeits-Unterricht auch auf den Seminaren herleiten. Wenn endlich in dem kampfe gegen die Ueberbürdung immer und immer wieder gefagt werden muß, daß nicht fowohl die Menge der von den Schülern verlangten Arbeiten, fondern die Einfeitigkeit der geiftigen Anftrengung zur Schulmüdigkeit, Frühreife und Blafirtheit führt, fo wird man auch den Seminariften den Segen körperlicher Arbeit wünfchen; denn auch fie brauchen frifche kräfte, wenn fie in das Leben hinaustreten. Hier geht ja ihre Arbeit eigentlich erft an!

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Was ift folchen fchwerwiegenden Gründen gegenüber der immer wiederholte Einwand, diaß keine zeit für den handfertigkeits-Unterricht vorhanden fei? Wie oft foll es wiederholt werden, daß ein geiftig frifcher, fpannkräftiger knabe rafcher auffaßt als ein lernmüder, mit Gedächtniswiffen überlafteter Schüler? Man kann doch nimmermehr die Tiefe des Einfluffes, den die Schule auf ihre Zöglinge übt, nach der Zeitdauer meffen wollen, innerhalb deren er gezwungen wird die Bank zu drücken? Die günftigen Erfahrungen, die man in Schweden nun fchon feit Iahren mit Schülern gemacht hat, welche praktifch thätig fein dürfen, zeigen ja zur Evidenz, daß das Intereffe an der Schule durch den Arbeits-Unterricht viel lebendiger, der Geift geweckter wird. Es handelt fich eben nicht um die hinzufügung eines neuen Faches zu dem Betrieb der bisherigen, foudern um ein neues Erziehungs-princip, um die Benußung des Thätigkeitstriebes für die Bildung des Willens, des Charakters. Ia und wenn der Arbeits-Untericht nichts weiter wirkte, als daß er die praktifchen, künftlerifchen Anlagen, die heute die theoretifche Schule ungenüßt verkümmern läßt, entfaltete, wenn er den Schülern, die durch den heutigen Unterricht dem praktifchen Leben eher entfremdet als zugeführt werden, Berftänduis und Intereffe dafür vermittelte, wenn er nichts thäte als durch die Freude an der eigenen Arbeit dem hange zu müßigen, thörichten und unfittlichen Zerftreuungen vorzubeugen, fo verdient er vollauf feinen Plaß in der Erziehungsfchule, alfo auch im seminar. Ubt der Arbeits-Unterricht diefen Einfluß, fo wird fich wohl auch die Zeit für ihn finden. Es ift meine Ueberzeugung, daß nicht der Mangel an Zeit, fondern zum größten Theil das Borurtheil gegen die praktifche Arbeit, die Unterfchäßung ihres eminenten Werthes für die Erziehung des Einzelnen wie der gefammten Menfchheit es ift, was zu der Entfchuldigung vom Zeitmangel geführt hat. Und beweifen denn diejenigen Seminare, welche den Arbeitsunterricht eingeführt haben, nicht klar und deutlich, daß die nöthige Zeit bei gutem Willen gefunden werden kann?

Aber das Seminar bedarf des Arbeits-Unterrichts nicht nur darum, weil es eine Erziehungsfchule, fondern auch weil es eine Fachfchule zur Lehrerbildung ift. Denn alle für ihn angeführten Gründe fprechen für werden die Lehrin die Bolksfchule, in dem Seminar aber werden die Lehr- page 40 kräfte für diefelbe gebildet. Außerdem wird die praktifche Arbeit ein Mittel fein, den jungen Lehrer mit dem wirklichen Leben zu verbinden, die Beziehungen zu der Gemeinde, in der er lebt, anzuknüpfen und zu geftalten. Man denke fich doch nur einmal in die Lage eines jungen von dem Seminar kommenden lehrers, der bisher in faft klöfterlicher Abgefchiedenheit vom Leben gehalten, fich nun vor die Aufgabe geftellt fieht, Erzieher und Bildner der heranwachfenden Generation für diefes Leben zu werden! Wird man die Frage, ob er das Leben verftehe, ob er die Bedürfniffe des Bolkes kenne, bejahen wollen? Wird die Bücherweisheit, wird die bei Gelehrten und halbgelehrten fo oft gefundene Unterfchäßung des Lehrers zu feiner Gemeinde eng zu knüpfen? Ich entnehme einer neuerdings über den Arbeits-Unterricht erfchienenen Brofchüre*) inbezug auf diefen Punct folgende Stelle: „heute ift namentlich der angehende Lehrer in den praktifchen Dingen ein wahres king und kann von jedem handwerkslehrling oder Bauernknechte gehänfelt werden. Das wird durch fein praktifches Gefchick anders werden; er wird in der Achtung des Publicums nicht wenig fteigen. Die erhöhte Achtung des Publicums und das Gefühl der Sicherheit in den praktifchen Dingen des Lebens muß das berechtigte Standesgefühl des Lehrers erhöhen. Wenn dabei das unberechtigte Standesgefühl, das fich auf das Schulwiffen ftatt auf den focialen und moralifchen Werth gründet, verloren geht, fo kann das dem Lehrerftande wiederum nur zum Bortheil gereichen. Wir leiden überhaupt an der Ueberfchäßung des theoretifchen, todten gegenüber dem praktifchen, lebendigen Wiffen und können.“ „Der Arbeits-Unterricht wird den Lehrer nicht zum Stümper, fondern er wird ihn tüchtiger in feinem Beruf machen und der Schule wird auf der praktifchen Bildung der Lehrer größerer Gewinn erwachfen als aus der gelehrten Unbeholfenheit.“ Darum ift es wohl zu verftehen, wenn eine Seminar-Direction ausdrücklich den handfertigkeits-Unterricht wegen des künftigen Amtes des Seminariften wünfcht.

Alle Lehrer-Seminare find zugleich Erziehungs-und Fachfchulen. Biele von ihnen find aber auch Internate und page 41 haben als folche ihren Zöglingen die Familie, das Elternhaus zu erfeßen. Diefe haben meines Erachtens die größte Aufforderung, den Arbeits-Unterricht zu pflegen. In jeder wohlgeordneten Familie hat die freie muße nach der Pflicht-Arbeit ihre Stelle; und in den Internaten gibt es demgemäß nach den Arbeitsftunden Zeiten welche der Erholung gewidmet find. Im Sommer mögen fie zum Wandern durch Feld und Wald, zum befuch des Schwimmbades und des Spielplaßes verwendet werden, im Winter aber follte neben dem Schlittfchuhlaufen der praktifchen Arbeit eine Stelle eingeräumt fein. Oder foll auch hier immer wieder nur das Buch dem Schüler in die hand gegeben werden? Soll das Buch, an dem fich der Geift erft müde gearbeitet hat, danach auch das rechte Erholungsmittel fein? Nein. Man gebe durch die Bolksbibliotheken dem Arbeiter nach des Tages Laft und Mühe ein gutes Buch in die hand, dem geiftig angeftrengten Seminariften aber geftatte man in feiner freien Zeit an die hobelbank zu treten.

Eine weitere Frage ift die nach dem Umfang des Arbeits-Unterrichts auf den Seminaren. Darf ich die Frage zuerft im allgemeinen beantworten, fo fage ich: diefer Umfang fei befcheiden. Es handelt fich ja nicht um die Erlernung eines oder gar einiger handwerke, fondern um die Elemente der handarbeit. Diefe find aber fo einfach, wie die Elemente der Wiffenfchaften. Wer der Sache fernfteht glaubt es nicht, wie anerkennenswerthes hier in verhältnismäßig kurzer Zeit durchfchnittlich von den Schülern geleiftet werden kenn. Herr Seminar-Director Dr. Pohle in Dresden hat mir gradezu feine Berwunderung ausgefprochen über das was von einzelnen feiner Seminariften erreicht worden ift. Freilich giebt es auch Ungefchickte, die nur langfame Fortfchritte machen und keine glänzenden Arbeiten liefern. Aber darum würde ich auch nur für facultativen, nicht für obligatorifchen handfertigkeits-Unterricht fein. Ich würde es damit ebenfo zu machen vorfchlagen wie mit der Mufik, die auch nur von denjenigen getrieben wird, die Neigung und Anlage dafür haben. Die Regel aber ift, daß fich die Schüler in kurzer Zeit mit ein paar wöchentlichen Unterrichtsftunden eine erftaunliche Fertigkeit auf verfchiedenen Gebieten der handarbeit erwerben. Wir ahnen eben nicht, welchen Schaß praktifcher Fähigkeiten wir zu Gunften des Wiffens verkümmern laffen. Ein Borgang aus der Praris fei als Beleg für die Richtigkeit der aben aufgeftellten Behaup- page 42 tung angeführt. Als man vor einiger Zeit die Arbeiten von Schülern, welche in der Straßburger Schülerwerkftatt angefertigt worden waren, öffentlich ausftellte, waren diefelben zu aller Berwunderung fo gut ausgefallen, daß man meinte, die Schüler könnten diefe fauberen, gefchmankvollen Schnißereien u. f. f. unmöglich allein und ohne jede fremde hilfe gefchaffen haben. Und diefes Urtheil ließ fich nicht eher befchwichtigen, als bis man die Werkbänke kommen und die knaben ihre Arbeiten vor den Augen des Publicums herftellen ließ.

Was den Umfang des handfertigkeits-Unterrichts auf den Seminaren insbefondere anlangt, fo dürfte nach den vorhin gegebenen Mittheilungen es angemeffen erfcheinen, wenn man für die beiden unteren Claffen diejenigen Arbeitsgebiete zu betreiben vorfchlägt, die methodifch bisher am meiften ausgebaut worden find, nemlich die Papp-und die holz-Arbeiten, leßtere mit Einfchluß der holzfchnißerei, welche gleichfam die Ueberleitung zur kunft bilden und die fchlichten handarbeiten künftlerifch verklären. Die Gründe, welche für die Papp-Arbeit fprechen, find fchon früher berührt worden. Sie beruhen in der Möglichkeit, damit auch kleinere kinder zu befchäftigen, in der engen Berbindung, die fich zwifchen dem elementaren mathematifchen Unterricht und ihnen herftellen läßt, in der Gelegenheit, durch fie den Farbenfinn, die Farbenfreude der kinder zu entwickeln, und in der Möglichkeit, auch bei geringen Mitteln dennoch die koften für die Anfchaffung der Werkzeuge beftreiten zu können. Als hiftorifcher Grund mag angeführt fein, daß von jeher bei den Beftrebungen, die kinder zur Arbeit zu erziehen, die Papier-und Papp-Arbeit eine wichtige Rolle gefpielt hat.

Die dritte mir zur Beantwortung geftellte Frage ift die nach der Weife, in welcher der handfertigkeits-Unterricht auf den Seminaren getrieben werden foll.

Was da zunächft die Perfon des handfertigkeits-lehrers betrifft, fo entfcheide ich mich gegen die hereinnahme der handwerksmeifter in die Schule. Erftens aus einem Nüßlichkeitsgrunde. Ich bin der Ueberzeugung, daß das Gerede, wir wollten die kuaben zu handwerkern erziehen, nicheher verftummen wird, als bis fich die Lehrer felbft der Sache annehmen. Wir in Leipzig haben wenigftens unter diefem Borurtheil fo gut wie nicht zu leiden, und wie ich glaube deswegen, weil wir von vornherein die Meifter zwar zur Aus- page 43 bildung der Lehrer in vollftem Maße, nicht aber für die Unterweifung der Schüler in Anfpruch genommen haben. Dann aber fpreche ich auch gegen die handwerksmeifter in der Schule aus der rein fachlichen Ueberlegund, daß diefelben immer geneigt fein werden, die Schüler in der That wie Lehrlinge anzufehen. Ich weiß wohl, daß es glänzende Ausnahmen von Meiftern gibt, welche mit natürlicher pädagogifcher Begabung ihr Fach durchdrungen haben und allen handfertigkeits-Lehrern als Beifpiele dienen könnten; das ift jedoch wohl nicht der Durchfchnitt. Wir bedürfen aber in der Schule lauter folcher kräfte, die fich der Mitarbeit an der Schule lauter folcher kräfte, die fich der Mitarbeit an der Durchführung des gefammten Erziehungsplanes wohl bewußt find. Herr Confiftorialrath Dr. Brandi erwähnt ferner die geiftige Ueberlegenheit der Seminariften über ihre handfertigkeits-Lehrer, und das ift nach meinem Dafürhalten kein glückliches Berhältnis. Er wünfcht fich einen die Sache fördernden Lehrer neben dem handwerksweifter, und auch in Straßburg ift, während der Meifter die knaben unterrichtet, der Claffenlehrer anwefend. Dadurch aber erwachfen doppelte koften. Und warum münfcht man in Osnabrück und in Straßburg handwerksmeifter als handfertigkeits-Lehrer? allein wegen ihrer technifchen Ueberlegenheit über die Schüler. Die kann fich aber auch ein Lehrer erwerben, dafür gibt es wahrlich Beifpiele die hülle und Fülle. Deshalb fage ich: die Werkftatt dem Meifter, die Schule dem Lehrer. Wir wünfchen ja auch für den Turnunterricht keine Gymnaftiker, alfo folche technifch überlegene Fachleute, deren alleiniger Beruf die Beherrfchung des körpers ift, fondern pädagogifch durchgebildete Turnlehrer, ja die Fälle häufen fich auch an höheren Schulen, wo der Ordinarius feiner Claffe zugleich auch den Turnunterricht ertheilt. Und im Zeichnen-Unterricht wünfchen wir uns keine künftler von Fach, die für fich felbft die Technik meifterhaft verftehen, ohne fie darum auch lehren zu können, fondern wir verlangen gute Zeichnenlehrer; ja felbft mit dem handfertigkeits-Unterricht, foweit derfelbe bereits eingeführt ift, nemlich in Bezug auf die weiblichen handarbeüen hat man die gleiche Erfahrung gemacht. Anfangs verwendete man zur Unterweifung der Mädchen Berufs-Näherinnen, und heute gibt es wohl allerwärts pädagogifch vorgebildete handarbeits-Lehrerinnen. Als Uebergangs-Stufe bis zu dem Zeitpunct, wo überall technifch tüchtige Lehrer für den handfertigkeits-Unterricht vorhanden fein werden, page 44 möchte ich die Berwendung brauchbarer kräfte aus dem kreife der handwerker keineswegs ausgefchloffen fehen, namentlich wenn fie durch wohlüberlegte Borlagen oder Modelle unterftüßt werden. Nur follte diefe Form des Unterrichts nicht unfer leßtes Ziel fein. Als Ort, wo der Unterricht ertheilt wird, ift natürlich das Seminar felbft zu wünfchen, fchon um der Befchäftigung der Seminariften während ihrer Mußezeit willen. Das wünfchenswerthefte ift die Unterbringung der Werkftatt in einem eigenen Raume; außerdem dürfte die Mitbenußung des Zeichenfaales für die praktifchen Arbeiten der Seminariften am eheften möglich fein, wie fich ja das Zeichnen und die handfertigkeit auch fonft gegenfeitig unterftüßen. Solange man aber nicht die Mittel befißt, eine eigene Werkftatt auszurüften, wird die Mitbenußung der Werkftätte eines Meifters immer weit beffer fein, als der völlige Ausfchluß der praktifchen Arbeit von der Erziehung der Seminariften.

Was die Unterrichts-Zeit betrifft, fo würde es genügen, wollte man dem Arbeitsunterricht wöchentlich 2 bis 4 Stunden einräumen. Insbefondere dann, wenn man den Schülern erlaubt in ihren Mußeftunden praktifch zu arbeiten, werden 3 Wochenftunden für die Unterweifung genügen. Und diefes Zeitopfer würde nach meiner Ueberzeugung nicht abfolut gebracht werden, fondern durch die körperliche Frifche und Spannkraft, durch das Intereffe welches der Arbeits-Unterricht erweckt, wiederum zum Theil wenigftens einzubringen fein. Dies wird namentlich dann gefchehen, wenn man darauf bedacht ift die von mir gewünfchte Berbindung zwifchen dem theoretifchen und dempraktifchen Unterricht herzuftellen. Es genügt nach meinem Dafürhalten nicht, daß die praktifchen Arbeiten pädagogifch ausgewählt und angeordnet find und aus pädagogifchen Abfichten betrieben werden, fondern die Theorie der Schule muß mit der Praris der Werkftatt hand in hand gehen. Werden die praktifchen Arbeiten losgelöft vom Unterricht und ftehen fie völlig ifolirt neben ihm, fo verlieren fie viel von ihrer geiftbildenden kraft. Und umgekehrt: werden die Theorien nicht verkörpert in den praktifchen Arbeiten, fo werden fie nicht zum wahren Eigenthum des Schülers, fie erwachfen nicht in ihm zum rechten Leben, fondern machen ihn dünkelhaft.

Das heutige Nebeneinander von Lernfchule und Werkftatt follte darum auch nur Uebergangftufe fein. Entwickelt fich page 45 der Arbeitsunterricht in die Tiefe, fo wird er ganz beftimmt in engere Berbindung mit dem anderen Unterricht treten. Freilich giebt es noch kein durchgeführtes Syftem eines folchen Arbeitsunterrichts, denn das kann nur aus der Praris der mit der Schule verbundenen Werkftatt hervorwachfen. Iedenfalls wäre es verkehrt, aus dem Umftande daß ein folches Syftem nicht vorhanden ift, der handarbeit den Eintritt in die Schule zu verbieten. Das hieße Iemandem, der gern fchwimmen lernen und dazu in das Waffer möchte, das Erperiment im Waffer darum unterfagen, weil er auf dem Trockenen nicht fchwimmen gelernt hat. Giebt es aber auch noch kein Syftem eines folchen Arbeitsunterrichts, fo find doch entfchiedene Anfäße dafür vorhanden. Das lehren die fehr anerkennenswerthen Bemühungen, welche in diefem Sinne fchon fiet langer Zeit in dem Erziehungs-Inftitut von Friedrich Beuft zu hottigen bei Zürich gemacht worden, um die organifche Berbindung der Geographie, des Zahlenrechnens, der Planimetrie und Raumlehre mit den praktifchen Befchäftigungen der knaben, mit Papp-und holz-Arbeiten herzuftellen. Unfere Ausftellung von Werkftatts-Arbeiten in Leipzig weift auch eine große Anzahl derartiger, die bloße Anfchauung des knaben zur eigenen praktifchen Geftaltung erhebender Arbeiten auf. Daß die Phyfik als Erfahrungs-Wiffenfchaft zur Erprobung ihrer Gefeße durch die Arbeit des Zöglings gradezu herausfordert, das lehren die vielen zu haufe ohne Anleitung erperimentirenden Schüler, und ich hoffe, der handfertigkeits-Unterricht wird eine Zeit herbeiführen helfen, in der man fich wundern wird, daß man früher jemals fruchtbaren Phyfik-Unterricht ohne jede eigene Bethätigung des Schülers hat ertheilen wollen. Auf folche Wege fcheint mir auch der im Seminar zu Auerbach betriebene handfertigkeits-Unterricht fchließlich zu führen. Hier möchte ich ausdrücklich hervorheben, daß es bei den Beftrebungen der leipziger Schülerwerkftatt, die übrigens die Anfertigung von Nüßlichkeitsgegenftänden und von Spielgeräthen keineswegs ausfchließt, nicht darauf ankommt Anfchauungsmittel für die Berwendung im Claffen-Unterricht herftellen zu laffen und dadurch etwa nur den Lehrmittel-handlungen Concurrenz zu erwecken, fondern einzig und allein darauf, das technifche Gefchick, die Erziehung des Auges und der hand mit dem geiftigen Leben des knaben in enge Berbindung zu bringen, damit es fo werde, wie der Dichter fagt:

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Das ift's ja, was den Menfchen zieret,
Und dazu ward ihm der Berftand,
Daß er im innern herzen fpüret,
Was er erfchafft mit feiner hand.

Faffe ich nach alledem meine Wünfche zufammen, fo ergiebt fich als erftrebenswerth die Einführung des handfertigkeits-Unterricht in befcheidenem Umfang in den beiden unteren Claffen der Lehrer-Seminare. Der Unterricht foll fich auf Papier-und Papp-Arbeiten, fowie auf die Elemente der holzarbeit, einfchließlich der einfachen holzfchnißerei erftrecken, er foll facultativ in 2 bis 4 Stunden wöchentlich womöglich von technifch tüchtig vorbereiteten Lehrern in einem Arbeitsfaale des Seminars ertheilt werden.

Der Arbeits-Unterricht foll in möglichft enge Beziehung zu dem übrigen Unterricht dadurch zu kommen fuchen, daß er die theoretifchen kenntniffe einzelner Disciplinen praktifch darftellt. Und endlich foll den Seminariften die praktifche Arbeit als körperliche Erholung in ihrer Freizeit geftattet fein.

Borfißender Profeffor Biedermann-Leipzig: Ich bitte die herren, die zu diefem Gegenftande fprechen wollen, fich zu melden. Es fcheint keine Debatte beliebt zu fein, ich bitte daher den nächften Bortragenden das Wort zu feinem Bortrag zu ergreifen.

* Robert Seidel, Der Arbeits-Unterricht, eine pädagogifche und fociale Nothwendigkeit u. f. f. Tübingen, Laupp'fche Buchhandlung, 1885.